Scheitern - aber erfolgreich

Überlingen, im Juni 2021. Scheitern passiert. Scheitern ist normal, es gehört dazu. Und es kann eine wertvolle Erfahrung sein, wenn es uns gelingt, Gewinn aus dem Scheitern zu ziehen. Ich bin sogar der Ansicht, dass sich uns auf unserem Lebensweg keine besseren Möglichkeiten bieten zu lernen und uns zu verbessern als an solchen Wegmarken, an denen wir die Dinge falsch angefasst haben oder in die falsche Richtung marschiert sind. Wenn etwas gründlich schiefgegangen ist, das bleibt hängen. Und das passiert nicht noch einmal.
 

Allerdings ergibt sich dieser Lerneffekt nur unter einer Bedingung: Wir müssen uns unser Scheitern eingestehen, wir müssen damit umgehen. Und das tut weh, Scheitern schmerzt. Leider birgt dieser Schmerz die Versuchung, das Scheitern beiseite zu schieben, ihm mit der Strategie „Schmerzvermeidung“ zu begegnen. Aber wer dieser Versuchung nachgibt, der reflektiert nicht, der arbeitet seine Fehler nicht heraus – der lernt nicht.

Moderne Fehlerkultur

Dem Beiseiteschieben des Scheiterns können wir mit einem Befreiungsschlag vorbeugen: Geben wir gegenüber jemand anderem unser Scheitern zu. Oft frage ich bei meinen Coachings am Bodensee die Klienten nach Erfahrungen mit dem Zugeben von Fehlern. Die Antworten, die ich bekomme, sind ähnlich: Es ist befreiend, anderen davon zu berichten, dass wir etwas verbockt haben. Jeder von uns kennt das. Und oft ergibt sich daraus ein zweiter positiver Effekt: Wir bekommen Input, eine andere Perspektive auf unser Scheitern.

Ich beobachte speziell im Berufsleben eine Tendenz, die ich für segensreich halte. Es entsteht eine moderne Fehlerkultur. Scheitern ist kein Tabu mehr, im Gegenteil. Scheitern wird als Normalität empfunden, und die Gescheiterten legen ihren Fokus darauf, erfolgreich zu scheitern. 

Das geht am besten gemeinsam.  In der jüngeren Vergangenheit haben sich „Fuckup-Nights“ als Veranstaltungsform etabliert („Fuck-up“, der Leser verzeihe diese Vulgarität, bedeutet im Deutschen etwa „großer Mist“), es gibt sie mittlerweile in zahlreichen deutschen Großstädten. Das Prinzip ist einfach: Eine Reihe von Vortragenden berichtet in aller Offenheit und oft selbstironisch von beruflichen und persönlichen Fehlern. Danach stellen sie sich den Fragen des Publikums, und am Ende profitieren alle Beteiligten.

Scheitern passiert. Wichtig ist, daraus zu lernen. Und wann sind Sie das letzte Mal so richtig gescheitert?

Hinfallen, aufstehen, Krone richten.